Untergewicht beim Hund trotz gut gefülltem Napf

Etwas mehr als die Hälfte aller Hunde gilt in Deutschland als zu dick. Doch was ist mit den Tieren, die genau das Gegenteil davon sind? Die nämlich nicht mehr Normal-, sondern (tendenziell) Untergewicht haben. Die Gründe für ein zu geringes Körpergewicht, können bei einem erwachsenen Hund vielfältig sein. Sie reichen ganz grob gesagt von einer gestörten Futteraufnahme bzw. -verwertung bis hin zu einem meist krankhaften Kalorienverlust. Doch nicht immer verbirgt sich hinter dem Untergewicht eines Hundes eine Erkrankung. Auch Fehler bei Futter bzw. Fütterung können zu einer nicht beabsichtigten Gewichtsabnahme führen.

Zu dünn? Normal? Zu dick?

Nicht jeder Hundebesitzer hat zu Hause eine digitale Personenwaage, wohnt in der Nähe eines Tierarztes oder eines Futtermarktes mit Tierwaage, um das Körpergewicht seines erwachsenen Hundes objektiv zu kontrollieren.

Eine sehr einfache, wenn auch subjektiv gefärbte Methode, um den Ernährungszustand eines Hundes ohne Waage zu beurteilen, ist der sogenannte Body Condition Score (BCS). Diese Untersuchungsmethode beurteilt die Körperkondition eines Hundes mithilfe von Adspektion (optische Überprüfung) und Palpation (Betasten). Hierzu wird das Tier zunächst von der Seite sowie von oben betrachtet. Erst danach werden die Rippen und der Bauchbereich des Hundes betastet.

Die Einteilung der gewonnenen Ergebnisse erfolgt auf einer BCS-Skala von eins bis neun. Dies ist der ursprüngliche Body Condition Score nach LaFlamme. Bei dieser 9-stufigen Skala beschreiben die Stufen eins bis vier ein zu dünnes Tier, die Stufe fünf gilt bei einem Hund als ideal und die Stufen sechs bis neun drücken ein ansteigendes Übergewicht aus. Zudem gibt es eine vereinfachte 5-stufige BCS-Skala.

Untergewicht: Erkrankung? Ja oder nein?

Eine Gewichtsabnahme kann beispielsweise auf eine gestörte Futteraufnahme zurückgehen. Dahinter steht etwa eine Dysphagie, also eine Schluckstörung zum Beispiel aufgrund von Entzündungen im Maulbereich, die Anorexie (Appetitlosigkeit), das Regurgitieren (Zurückfließen des Speiseröhren- oder Mageninhalts), aber auch Vomitus (Erbrechen) und Diarrhoe (Durchfall).

Darüber hinaus kommt eine gestörte Futterverwertung für Untergewicht infrage. Hierzu gehört

  • erstens, die Malabsorption, das bedeutet eine mangelhafte Aufnahme von Nährstoffen aus dem vorverdauten Chymus (Futterbrei). Derartige Störungen können auf virale, bakterielle oder mykotische Erkrankungen des Darms sowie Endoparasiten (u. a. Darmparasiten), Futtermittelunverträglichkeiten, eine chronische Darmentzündung (Inflammatory Bowel Disease (IBD)) bzw. Geschwüre oder Tumore im Verdauungstrakt zurückgehen.
  • Zweitens, kann hinter dieser Problematik eine Maldigestion (unzureichende Verdauung von Nährstoffen) stehen, die durch eine Exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) oder einen Gallensäuremangel ausgelöst wird.
  • Drittens, müssen endokrine Ursachen wie etwa Diabetes mellitus (DM) oder der Hypokortisolismus (Morbus Addison (MA)) in Betracht gezogen werden.
  • Viertens, kann sich ein Organversagen wie bei einer Leber-, Herz- oder Niereninsuffizienz hinter einer gestörten Futterverwertung verbergen.

Zu guter Letzt ist unter Umständen ein krankhafter Kalorienverlust für die Reduktion des Körpergewichts verantwortlich – hierbei geht es um Einbußen bei Protein und Energie. Zu einem Proteinverlust kommt es unter anderem bei Darm- oder auch Nierenerkrankungen sowie bei chronischen Blutungen. Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Fieber, Gravidität (Trächtigkeit) und Laktation (Milchabgabe) hingegen zehren Energie auf.

Um Erkrankungen als Ursache für eine (akute) Gewichtsabnahme auf die Spur zu kommen bzw. auszuschließen, bietet beispielsweise das Veterinärlabor VetScreen für den Hund zwei spezielle Basistests auf der Grundlage von Blut und Kot an:

  1. das Abmagerungs-Screen I (untersucht werden α-Amylase, Lipase, Gesamteiweiß, Kreatinin via Blut plus parasitologische Untersuchung und Darmflora-Screen (Thema sind hier Bakteriologie und Mykologie (obligat pathogene Keime, Dysbakterien, Gasbildner sowie pH-Wert); die letzten beiden Tests via Kot) sowie
  2. das Abmagerungs-Screen II (untersucht werden Albumin, Gesamteiweiß, GLDH, AP, ALT inklusive kleines Blutbild plus Überprüfung der pankreatischen Elastase via Kot).

Die aufgrund der Befunde gewonnenen Erkenntnisse können dazu genutzt werden, um möglicherweise weitere vertiefende (Labor-)Untersuchungen anzustoßen.

Individueller Energiebedarf

Sind bei einem Hund Krankheiten als Ursache für ein Untergewicht ausgeschlossen, dann gilt es andere Gründe für das Problem zu finden. Dass ein Hund zeitweilig oder dauerhaft zu wenig wiegt, kann schlichtweg daran liegen, dass sein täglicher Energiebedarf nicht ausreichend durch die Tagesfutterration gedeckt wird. Dieser Grund klingt banal, er taucht jedoch immer wieder in meinem Praxisalltag auf – vor allem bei gebarften Hunden. Jedoch können auch Tiere, die mit einem industriellen Futtermittel ernährt werden davon betroffen sein.

Für einen erwachsenen Hund empfehlen beispielsweise Barf-Bücher oder -Blogs häufig eine tägliche Futtermenge, die zwei bis vier Prozent seines Körpergewichts entspricht. Aufgrund eigener Erfahrungen verlasse ich mich jedoch nicht auf diese Faustregel, sondern berechne den durchschnittlichen täglichen Energiebedarf für jeden Patientenhund individuell – ganz gleich, ob das Tier gebarft wird oder aber nicht.

Energieplus für kleine Rassen und Extraleistung

Doch kommen wir zurück auf den durchschnittlichen täglichen Energiebedarf eines erwachsenen Hundes. Er hängt unter anderem davon ab, wie groß die Körperoberfläche eines Hundes bezogen auf seine Körpermasse (KM) ist. Dieser Aspekt ist wichtig, da ein großer Teil der Körperenergie in Form von Wärme über die Haut verloren geht. (Sehr) kleine Hunde wie etwa Chihuahua, Bolonka Zwetna, Zwergpudel oder Yorkshire Terrier haben deshalb im Vergleich zu größeren Hunderassen eine relativ große Körperoberfläche, so dass ihr Energiebedarf pro kg KM höher ist.

Aus diesem Grund darf nicht das „normale“ Körpergewicht eines Hundes für die Berechnung seines täglichen Energiebedarfs genutzt werden, sondern richtigerweise das sogenannte metabolische Körpergewicht. Es berücksichtigt den Energiebedarf pro Kilogramm Stoffwechselmasse. Darüber hinaus fließt in die Kalkulation der Aktivitätsgrad des Tieres (in der Erhaltung) ein. Also, handelt es sich um einen nur wenig aktiven Hund bzw. einen Senior, um ein normal aktives oder sogar sehr aktives Tier. Je nach Grad der Aktivität wird das metabolische Körpergewicht mit einem jeweils vorgegebenen Faktor potenziert.

Trächtige oder säugende Tiere, Hunde im Wachstum, aber auch Arbeitshunde (etwa Jagd-, Schlitten- und Polizeihunde) haben selbstverständlich einen erhöhten Energie- und teils auch Nährstoffbedarf, denn sie erbringen Extraleistung. Alter, Kastration, Gesundheitszustand, Haltungsform, Muskelmasse, Unterhautfettgewebe bzw. Fell und Temperament beeinflussen den Energiebedarf eines Hundes neben Körpergewicht und Aktivitätsgrad zusätzlich.

Fallbeispiel 1: Sandy, Jack Russell-Mix

Aufgrund ihrer Futtermittelunverträglichkeiten wurde Hündin Sandy versuchsweise auf ein Nass-Barf mit Insektenprotein umgestellt. Vor der Futterumstellung wog die normal aktive Hündin 5,4 kg. Der Hersteller des Nass-Barfs auf Insektenbasis gab an, dass Hunde bis zu 15 kg Körpergewicht täglich circa zwei bis drei Prozent des Futters benötigen. Daran hielt sich die Tierhalterin und fütterte drei Prozent täglich. Dies entsprach 162 g Futter pro Tag. Sandy mochte es gern, auch vertrug sie es gut. Allerdings fiel der Tierhalterin nach einer Weile auf, dass Sandy inzwischen 400 g leichter und vor allem während der Spaziergänge ständig auf Futtersuche war.

Daraufhin habe ich den durchschnittlichen täglichen Energiebedarf der Hündin und damit verbunden die benötigte Futtermenge pro Tag berechnet. Bei 5,4 kg Körpergewicht benötigt Sandy 337 Kilokalorien (kcal) (= 1,4 Megajoule (MJ)) pro Tag, um in der Erhaltung weder ab- noch zuzunehmen. 100 g des Nass-Barfs auf Insektenbasis liefern außerdem (rein rechnerisch auf Basis der analytischen Bestandteile) 65 kcal (= 0,27 MJ). Durch 162 g Nass-Barf mit Insektenprotein erhielt die Hündin also lediglich 105 kcal täglich. Um jedoch ihren Energiebedarf zu decken, bräuchte sie 521 g (!) dieses Futters pro Tag. Diese Tagesfuttermenge hätte die kleine Hündin allerdings nicht bewältigen können.

Daraufhin habe ich der Tierhalterin empfohlen, Sandy auf eine selbst zusammengestellte Barf-Ration umzustellen. Auch diese habe ich berechnet. Die Hündin bekommt jetzt als Fleischgrundlage Pferd (Muskelfleisch, Herz, Schlund, Leber). Dazu wird unter anderem gekochte Quinoa und gedünstete Zucchini geben und das Ganze durch Lachs- bzw. Fischöl, mehrmals pro Woche eine Prise Salz sowie eine hypoallergene Mineralstoffmischung ergänzt. Die jetzige Futtermenge beträgt 210 g pro Tag – rechnerisch liefert sie 336 kcal. Damit hat Sandy wieder zugenommen bzw. ihr Ursprungsgewicht erreicht. Außerdem mag sie dieses Futter ganz besonders gern und verträgt es sogar noch besser als das Nass-Barf auf Insektenbasis.

Fallbeispiel 2: Sam, Golden Retriever

Bereits seit einigen Jahren wurde der Goldi-Rüde mit einer berechneten, selbst zusammengestellten Futterration gebarft. Sam liebte sein Futter, er war vital und hatte eine sportliche Figur. Unerklärlicherweise ging sein Körpergewicht plötzlich nach unten und er hatte nicht mehr Normal-, sondern Untergewicht.

In der Vergangenheit litt Sam bereits an einer Exokrinen Pankreasinsuffizienz (EPI), jedoch ohne Gewichtsverlust bzw. Untergewicht. Diese konnte ich mit der Naturheilkunde erfolgreich unterstützen. Daher riet ich der Tierhalterin unter anderem zu einer Untersuchung des Kots (Endoparasiten plus pankreatische Elastase), denn die ausführliche Folgeanamnese lieferte zunächst keinerlei Anhaltspunkte bezüglich des Problems. Erstaunlicherweise war sowohl die Kot- als auch eine vorgeschlagene Blutuntersuchung vollkommen unauffällig.

Wie sich danach allerdings während eines weiteren Gesprächs mit der Tierbesitzerin herausstellte, hatte sie vor einiger Zeit die bisherige Fleischmischung der ehemals berechneten Barf-Ration gewechselt. Sie war umgeschwenkt auf eine günstigere Mischung, mit einem höheren Anteil bindegewebsreicher Innereien und mit einem geringeren Energiegehalt pro 100 g. Da die Tierhalterin den Fleischanteil der Barf-Ration (in Gramm) allerdings unverändert ließ, war schnell klar, warum Sam Untergewicht hatte. Mit diesem Wissen konnte ich das Problem schnell lösen. Für Sams Barf-Ration wurde wieder die bisherige Fleischmischung verwendet und er nahm zu – das Untergewicht war verschwunden.

Löffel als Stolperfalle

Ich kalkuliere bei einem Teelöffel Öl mit 5 g sowie bei einem Esslöffel mit 10 bis 12 g. Die Löffel von Sandys Tierhalterin waren allerdings kleiner bzw. fassten deshalb weniger Gramm. Aus diesem Grund nahm die Hündin beim Wechsel auf die neue Barf-Ration (mit Pferd) eher zögerlich zu, da Sandy Energie fehlte. Deshalb sollte ein Tierhalter unbedingt wissen, wie viel Öl in Gramm in einer selbst zusammengestellten Barf-Ration enthalten sein soll. Auch damit lässt sich ein unbeabsichtigter Energiemangel und damit verbunden Untergewicht vermeiden.

Schneller Energiecheck

Dass das ausgewählte Futter bzw. die Tagesfutterration den Energiebedarf eines Hundes deckt, erkennen Sie übrigens daran, dass ein erwachsener Hund

  • ein gleichbleibendes, rasse- bzw. typspezifisches und angemessenes Körpergewicht aufweist,
  • bis zu 2-mal pro Tag gut geformte Kothaufen absetzt,
  • ein für seine Rasse typisches glänzendes Fell ohne Schuppen besitzt und
  • ein aktives Verhalten zeigt, das seiner Rasse und seinem Alter entspricht.

Hinweis

Dies ist nur zu Ihrer Information und nicht als Anleitung zur Selbstdiagnose oder -therapie bestimmt. Sprechen Sie im konkreten Fall bitte Ihren Tierarzt oder einen Tierheilpraktiker in Ihrer Nähe an.

Quellen
Literatur

  • Fritz, Dr. med. vet. Julia: Hunde barfen – Alles über Rohfütterung, 1. Auflage, Stuttgart: Ulmer, 2015
  • Schrey, Christian F.: Leitsymptome und Leitbefunde bei Hund und Katze – Differenzialdiagnostischer Leitfaden, 3. Auflage, Stuttgart: Schattauer, 2014
  • Vet. med.-Dissertation
  • Schramme, Claudia Stephanie: Body Condition Scores und biometrische Daten zur Abschätzung des Körpergewichtes bei Warmblutpferden, München: 2003, https://edoc.ub.uni-muenchen.de/1522/1/Schramme_ClaudiaStephanie.pdf (Zugriff 27.1.2021)

Sonstiges

VetScreen: Leistungsverzeichnis mit Spiralbindung, Bad Kissingen, 2019

Beitrag zuletzt aktualisiert am 15. Februar 2024

Kurz über mich als Autorin

Sabine NawotkaIch bin Sabine Nawotka – Diplom-Ökonomin mit Schwerpunkt Marketing und Social-Media-Managerin IHK. Ich lebe und arbeite seit 1997 in Münster (NRW).

Die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin war mir so wichtig, dass ich währenddessen sogar ein sehr attraktives Jobangebot in London abgelehnt habe. Seit 2002 arbeite ich als verbandsüberprüfte Tierheilpraktikerin mobil – in Münster (NRW) sowie im Umkreis von maximal 25 km. Meine Spezialgebiete sind das Verdauungssystem (inklusive der Anhangsdrüsen des Darms (Leber und Bauchspeicheldrüse)) sowie die (artgerechte) Ernährung von Hund und Katze. Ich unterstütze meine tierischen Patienten naturheilkundlich, also ganz ohne schädliche Chemie.

Außerdem war ich von Juni 2019 bis Anfang 2024 immer wieder live als Expertin „Tiergesundheit“ beim Homeshopping-Sender CHANNEL21 im Format "Vier Pfoten" zu sehen.

Darüber hinaus setze ich mich dafür ein, dass Tierheilpraktiker noch professioneller arbeiten. Deshalb gebe ich zum Beispiel schon seit vielen Jahren (Online-)Seminare für (angehende) Tierheilpraktiker und Wiedereinsteiger.

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